Flexibilitätsvermarktung im kontinuierlichen Intradaymarkt der EPEX

Marktübersicht

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Die Energiewende und der steigende Anteil erneuerbarer Energien stellen das europäische Stromsystem vor neue Herausforderungen. Eine Schlüsselrolle zur Bewältigung dieser Herausforderungen spielt die Flexibilitätsvermarktung im kontinuierlichen Intradaymarkt (IDc) der European Power Exchange (EPEX).

Die Entelios AG ist seit 2013, als zweites Unternehmen insgesamt, technisch direkt an die EPEX-Spot angebunden. Seitdem gehört das kontinuierliche Intradaytrading zum Alltagsgeschäft und ist ein wichtiger Teil der Cross-Market-optimierten Flexibilitätsvermarktung von Entelios. Die direkte technische Anbindung ermöglicht eine Reaktion auf den Markt in Sekundenbruchteilen.

Flexibilitätsvermarktung: Ein zentrales Element

Flexibilität ist die Fähigkeit, den Stromverbrauch oder die -produktion kurzfristig anzupassen. Sie gleicht Schwankungen bei erneuerbaren Energien und ungeplante Ereignisse aus. Unternehmen können durch Flexibilitätsvermarktung ihre Anlagen gewinnbringend nutzen und zur Netzstabilität beitragen.

Was ist der kontinuierliche Intradaymarkt?

Der kontinuierliche Intradaymarkt (IDc) ermöglicht den Stromhandel bis kurz vor der Lieferung – im Gegensatz zum Day-Ahead-Markt (DAM), bei dem Energie für den Folgetag versteigert wird. Als nachgelagerte Handelsmöglichkeit zum DAM dient der IDc dazu, Prognoseabweichungen und unerwartete Ereignisse wie Kraftwerksausfälle auszugleichen. Hierdurch können Marktteilnehmer ihre Abweichungen zwischen prognostizierter und tatsächlicher Menge (Bilanzkreisabweichungen) reduzieren.

Die Möglichkeit, Bilanzkreisungleichgewichte bis kurz vor Lieferbeginn und nahe Echtzeit zu handeln, führt – bei richtiger Anreizgestaltung – zu geringeren Bilanzkreisabweichungen der Marktteilnehmer. Dies reduziert auch die Netzungleichgewichte, welche die Übertragungsnetzbetreiber in Echtzeit ausgleichen müssen.

Der IDc ist besonders für die Integration erneuerbarer Energien bedeutsam. Er ermöglicht es den Marktteilnehmern, präzisere Prognosen als bei der Day-Ahead-Auktion zu nutzen und ihre Handelspositionen bis kurz vor Lieferbeginn anzupassen. So können sie flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren.

Der Handel im IDc startet um 15 Uhr des Vortages und läuft bis 5 Minuten vor der tatsächlichen Stromlieferung. Marktteilnehmer können rund um die Uhr anonym Gebote in Schritten von 0,1 MW platzieren. Die Preisspanne ist mit -9.999 EUR bis 9.999 EUR pro MWh bewusst weit gefasst, um extreme Marktsituationen abbilden zu können.

Marktentwicklung

Die monatliche Entwicklung des volumengewichteten Durchschnittspreises (IDFull) des 15-minütigen IDc ähnelt stark der Entwicklung der Day-ahead Markt (DAM) Preise:

 

Diese Korrelation entsteht, da der DAM drei Stunden vor Beginn des IDc geräumt wird und dessen Preise als Referenz für den IDc dienen. Die folgende Grafik verdeutlicht das Zusammenspiel zwischen beiden Märkten. Bereits diese statische Betrachtung des IDc-Handels über einen Index (IDFull) zeigt die zusätzlichen Erlösmöglichkeiten oder Kosteneinsparungen der Teilnahme am Viertelstunden-Handel gegenüber dem stündlichen Day-Ahead-Handel.

Der IDFull schwankt um den DAM-Preis. Preisabweichungen des IDc und DAM resultieren aus unvorhersehbaren Ereignissen wie Kraftwerksausfällen oder Wetteränderungen, aber auch aus systematischen Tagesmustern. Da am Spotmarkt die meisten Volumen über den stündlichen DAM gehandelt werden, führen starke PV-Änderungsrampen zu vorhersehbaren Preisabweichungen. Morgens, bei steigender PV-Einspeisung, ist der IDFull zu Beginn einer Stunde typischerweise höher. Nachmittags, bei abnehmender PV-Einspeisung, ist es umgekehrt.

Handelsvolumen

Das Handelsvolumen des IDc schwankt, ebenso wie der Preis, erheblich im Jahresverlauf. Diese Schwankungen hängen eng mit der Einspeisung fluktuierender Energien zusammen, wie die folgende Heatmap veranschaulicht.

Analog dazu ist auf Jahressicht eine starke Korrelation mit dem Ausbau erneuerbarer Energien erkennbar:

Fluktuationsindikatoren

Die Korrelation zwischen IDFull und DAM-Preis verändert sich über die Zeit. Größere kurzfristige Planabweichungen an den Spotmärkten führen zu stärkeren Abweichungen des IDc vom DAM. Im Quartalsmittel zeigte der IDc, außer während der Energiekrise (Q4 2021 bis Q4 2022), noch nie so hohe Abweichungen zum DAM wie im letzten Quartal (Q2 2024).

Unabhängig(er) vom Preisniveau gibt es somit relevante Preisdifferenzen, welche den erhöhten Bedarf und Wert von Flexibilität im Stromsystem aufzeigen.

Das erste Diagramm zeigt die tageweise aggregierten Preisindizes sowie das Handelsvolumen für das Jahr 2023. In den Preisindizes werden über 85 Millionen tatsächlich durchgeführte Trades berücksichtigt. Im nächsten Diagramm zoomen wir auf unseren Beispieltag, Donnerstag, den 15. Juni 2023. Die Preisindizes werden nun für jede der 96 Viertelstunden dargestellt. Im dritten Diagramm zeigt die X-Achse nicht mehr die Lieferzeit, sondern den Handelszeitpunkt. Es werden die Trades für die Viertelstunde von 19:00 bis 19:15 des o.g. Tages gezeigt. Es ist zu erkennen, dass die Anzahl der Trades zunimmt, je näher man der Lieferviertelstunde kommt. Im letzten Diagramm zoomen wir in den Handelszeitraum von 18:30 (30 Minuten vor Lieferstart) bis 18:55 (5 Minuten vor Lieferstart) für die genannte Lieferviertelstunde von 19:00 bis 19:15. In diesem Zeitraum dürfen Teilnehmer nur noch innerhalb der eigenen Regelzone, hier also Amprion, handeln.

Fazit

Der kontinuierliche Intradaymarkt (IDc) der EPEX nimmt eine Schlüsselposition in der Flexibilitätsvermarktung und der Stabilisierung europäischer Stromnetze ein. Durch die strategische Nutzung von Flexibilitätsoptionen können Marktteilnehmer nicht nur signifikante ökonomische Vorteile realisieren, sondern auch einen substanziellen Beitrag zur Energiewende leisten.

Im Vergleich zum Day-Ahead-Markt (DAM) bietet der IDc ein deutlich erweitertes Spektrum an Möglichkeiten. Für eine wertmaximierende Flexibilitätsvermarktung ist die Berücksichtigung des IDc als zentrale Option unerlässlich. Die mitunter extremen Preisausschläge im IDc-Markt eröffnen neben der Flexibilitätsvermarktung auch beträchtliche Einsparpotenziale in der Beschaffungsoptimierung.

Für die effektive Nutzung dieser Marktchancen ist es essentiell, dass Unternehmen über fundierte Expertise und eine leistungsfähige technologische Infrastruktur verfügen. Die Komplexität und Dynamik des IDc-Marktes erfordern nicht nur ein profundes Verständnis der Marktmechanismen, sondern auch die Kapazität, in Echtzeit auf Preisfluktuationen zu reagieren. Unternehmen wie Entelios, die auf langjährige Erfahrung und fortschrittliche Handelssysteme zurückgreifen können, sind in einer vorteilhaften Position, um ihren Kunden optimale Lösungen und maximalen Mehrwert zu bieten.

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